Aus vergilbten Blättern

Von den Anfängen des Badebetriebes auf der Nordseeinsel Borkum

Dr. Heinrich Buurman, Apotheker im Ruhestand aus dem ostfriesischen Leer (nachdem er das renommierte Geschäft seinem Sohn übergeben hatte) ist ein begeisterter Zeitungsleser. Er beschränkt sich allerdings nicht nur auf die neuesten Nachrichten und das Tagesgeschehen, sondern stöbert mit großem Interesse in alten Gazetten und Magazinen, überwiegend aus dem Norden Deutschlands. Dabei sind die alten Orts- und Tageszeitungen für ihn äußerst ergiebig, denn dort er findet er Anzeigen und Lokalberichte, die er für seine schriftstellerische Arbeit braucht.

So recherchierte er für seine umfangreiche Familienchronik, suchte und fand Unterlagen über die Jagd in Ostfriesland, promovierte mit einer präzisen Ausarbeitung über die alten Apotheken in ostfriesischen Städten und auf den Inseln, erzählte, wie die Radfahrer nach Ostfriesland kamen
und berichtete ebenso spannend wie lesenswert über die früheren Zahnärzte und „Zahnartisten“. Die Fülle seiner Veröffentlichungen ist enorm und der Leser spürt die Leidenschaft eines versierten Historikers.

Dr. Heinrich Buurman ist mit seiner Familie ein langjähriger Gast der Insel Borkum und seit Jahren pflegt er einen engen Kontakt zum Heimatverein. Bei seinem letzten Besuch brachte er einige Fundstücke mit, die er in ostfriesischen Presseorganen fand und gerne dem vereinseigenen Archiv übergab. So lobte ein Berichterstatter am 21. Juli 1864, dass das hiesige Seebad mit dem bedeutend verlängerten Steinweg durch das Dorf, mit dem man jetzt die beliebtesten Teile ganz bequem durchschreiten könnte, wieder einige Fortschritte gemacht hätte. Am Strande stünden jetzt acht gut eingerichtete Badekutschen und ein Dutzend Rollzelte für die Damen, während am Herrenstrande drei Zelte zum Aus- und Ankleiden hergerichtet sind. Der Bakker’sche Gasthof sei um mehr als die Hälfte vergrößert und teilweise ganz neu eingerichtet „so dass solcher jetzt sehr gut imstande ist nicht zu übertriebenen Ansprüchen zu genügen und zwar umso mehr, dass der recht gute und billige Tisch dem insularen Appetit recht wacker entgegen kommt, aber verschiedene Häuser sind besser eingerichtet und mit zweckdienlicheren Möbeln versehen.“

Das eigentliche Gespräch „hieselbst“ sei aber die Erschießung eines Pferdes auf dem Ostland. Der Schreiber wettert, „dass es auch in diesem Jahr wieder ein gewaltiges Heer von Jäger gibt, die jedem Vogel und jedem Kaninchen, welches ihr Blei erreichen kann, nachstellen“. Die eigentlichen Jäger, die mit Umsicht und Sorgfalt verfahren, habe man nicht zu fürchten, wohl aber die Sonntagsjäger. „Diese machen die Dünen oft so unsicher, dass man sich freuen kann, wenn man den Schrot nur an sich vorbei pfeifen hört und nicht selbst als Wild behandelt wird. Die beiden jungen Leute, die das Pferd auf dem Ostland erschossen, haben dem Eigentümer ihre Jagdlust mit acht Louisdor bezahlen müssen. Der Herr Papa mag ein wenig lustiges Gesicht dazu gemacht haben.“

Volkszählung im Jahre 1864: männliche Einwohner 233 (vorjährig 224), weiblich 279 (266), Summa 512 (490). Zahl der Wohnhäuser 103 (98). Reformierte 473, Lutheraner 37, Katholiken 2. Die Viehzählung brachte 58 Pferde (49), Rindvieh 278 (268). Die Zahl der Schafe verringerte sich von 328 auf 177, weil die alte Herde abgeschafft und durch neue von Holland importierte Schafe ersetzt wurden. Es wird vom Gastwirt Köhler „projektiert“ im nächsten Sommer einen Pavillon auf der Königsdüne zu errichten sowie ein Restaurationszelt in den Außendünen des Herren-Badestrandes. Verschiedene Fuhrleute haben sich verpflichtet bei Regenwetter bedeckte Wagen zur Abholung der ankommenden Gäste bereit zu stellen.

Am 29. Juli des gleichen Jahres berichtet ein namentlich nicht genannter Schreiber, dass die diesjährige Saison wohl als mittelmäßig eingestuft werden könnte. Er habe nicht viel Neues mitzuteilen: „ Das Leben ist hier still und gemütlich, ohne viel besondere Ereignisse“. Aber seit einigen Tagen ist ein Emder Musikdirektor da und bringt mit seiner Gesellschaft Leben in die Sache. Zum ersten Mal seit Bestehen des Bades sei den Badegästen eine ansprechende Morgenmusik angeboten worden und habe viel Anklang gefunden.

Am 25. September 1865 ist unter der knappen Überschrift „Borkum“ zu lesen:“ Gestern entführte uns das letzte diesjährige Dampfschiff den Rest unserer Badegäste, die wenigen zurückgebliebenen verfolgen mehr wissenschaftliche als gesundheitliche Zwecke. Es sind wenigstens lt. Badeliste 1.300 bis 1.400 Personen hier gewesen sind. Der Wohnungsmangel hat sich wiederholt herausgestellt, und man wird sich bestreben, solchem abzuhelfen. Das Projekt, einen Steinweg durch die Wiese zu legen, wird hoffentlich zum Nutzen des Dorfes realisiert werden. Dadurch werden die entfernter liegenden Wohnungen mehr mit dem Mittelpunkt des Dorfes verbunden werden. Hoffentlich hat die Badekasse soviel Überschuss, dass einige Kutschen für den Herrenstrand angeschafft werden können. Borkum scheint einer guten Zukunft entgegen zu gehen, aber die Insulaner müssen mehr tun. Vielleicht kommt ihnen diese Erkenntnis über Nacht, resp. während des Winters. Hoffen wir das Beste.“

Dr. Heinrich Buurman brachte zusätzlich noch einige Besonderheiten mit, wie den Bericht über eine Treibjagd auf dem Ostland im Dezember 1904 oder ein Leserbrief aus der Rhein-Ems-Zeitung über die Beschwernisse der winterlichen Reise nach Borkum oder ein Eingesandt eines Urlaubers aus dem Westerwald über die unnötigen Fremdwörter an den Gasthöfen:“ Da kann man Dejeuner, Diners und Soupers haben, obwohl ein Frühstück, Mittags- oder Abendessen ebenso gut schmecken würde.“

Unter der Überschrift „Gekränkte Seemannsehre“ wird von einem alten Borkumer Schiffer K. berichtet, der im Gespräch mit zwei neugierigen Badegästen auf der Buhne steht. („De Vertellsel“ ist unter den älteren Insulanern bestens bekannt und wird Klaas Bekaan zugeschrieben, besser bekannt als „Klaas-Maat“.) Ein nach See fahrender großer Dampfer veranlasst den Kurgast zu der Frage: Wie heißt der Dampfer und wo fährt er hin? Klaas antwortet: Dat weit ik neit. Mag wall na Buenos Aires fahren. Der andere Gast („ein Wiesnöse“) weiß es besser und erklärt, dass die Sache doch sehr einfach sei. Die Wasserstraßen sind, wie die Landstraßen durch Meilensteine, hier durch Seetonnen bezeichnet. Soll das Schiff zur Ostsee, nach Norwegen oder nach England oder einem anderen Hafen, so fährt es einfach den bezeichneten Tonnenweg entlang. Klaaas hört sich offenem Mund diese Erklärung an und dreht sich dann entrüstet zu dem Sprecher um:“ Bist du fragt off ik?. Magst wall mit de Penne umgahn könen, man van de Seejfahrt versteihst du gein Blixem. Gah man disse Mielensteinen na, dej hier in’t Water liggen, dann sallt du wall mit de Pans vull Water in de Heemel ankoomen!“