Archiv der Kategorie: Presseberichte aus 2014

November – De stille Maand mit Gedachten an Mensken, dej d’r neit mehr bin (Borkumer Zeitung, 30.10.2014)

Museum „Dykhus“ des Borkumer Heimatvereins geöffnet

Der langjährige Leiter des Inselmuseums, Hans Teerling (1911-1990) berichtet in seinem Buch „Aus Borkums Vergangenheit“ (ein großes Auswahl hoch interessanter Heimatliteratur ist im „Museumswinkel“ erhältlich) ausführlich über die Sitten und Gebräuche seiner Heimatinsel, die im Ablauf des menschlichen Lebens eingebettet waren.

So schildert er, dass früher bei Geburten sogenannte „Kraamfrouen“ halfen, die keine ausgebildeten Hebammen waren, sondern ältere Insulanerfrauen, die großen Wert auf Sauberkeit legten. Die gebräuchliche Schmierseife – „greune Seipe“ – hatte eine starke antiseptische Wirkung und desinfizierte vor allem die Hände der helfenden „Froulü“.

Das Neugeborene ruhte in einem „Pütjepack“, einem Steckkissen, in dem es auch getauft wurde. Die „Döpkleidjes“ kamen erst später auf. Diese historischen Textilien sind in altertümlichen Schränken oder in übersichtlich sortierten Glasvitrinen im Museum „Dykhus“ aufbewahrt und geben dem Besucher mit den vielen anderen Exponaten einen guten Einblick in das Inselleben in früheren Zeiten.

Neben der entzückenden Kleidung für den Nachwuchs liegt aber auch ein
Kindertotenhemd, denn die Sterblichkeit bei den Geburten war sehr hoch. „Noit is Dod un Leven so binander as in disse Stünden“, ist in alten Predigten zu lesen. Die sehr gut dokumentierten Familienchroniken auf Borkum (akribisch zusammengestellt von Tjard Steemann) erzählen von tragischen Sterbefällen, wenn auch die Frau und Mutter „in de Eiwegkeit gung“.

Verstarb ein Mitglied einer Dorfgemeinschaft, so war es die Ehrenpflicht der anliegenden Nachbarn die Aufbahrung und die Beerdigung, das Tragen des Sarges zum Friedhof und die anschließende Teetafel im Trauerhaus zu organisieren. In wenigen Orten in Ostfriesland gibt es heute noch „de Dodebeder“, der diese Aufgaben übernimmt.

Bei einem Rundgang durch das Inselmuseum, das ausschließlich vom hiesigen Heimatverein betreut und unterhalten wird, kommt der Besucher von dem nostalgischen Wohnzimmer, über das Kapitänszimmer durch den Nebenraum
mit den Zeugnissen des beginnenden Tourismus zu einem kleinen Durchgang mit „de Butze“, auch Alkoven oder Wandbett genannt.

HaarkranzAuf der gegenüberliegenden Seite hängt eine Besonderheit. In einem großen Rahmen ist das ovale Bild einer jungen Frau zu sehen, darüber die etwas rätselhafte Erklärung: Kranz aus dem Haar der Verstorbenen. Mit der Bitte um nähere Informationen verwies die Ostfriesische Landschaft in Aurich an das Schlossmuseum in Jever, wo die Ausstellung „Der Tod – Sepulkralkultur in Friesland vom Mittelalter bis zur Neuzeit“ viel Beachtung bei den Zuschauern und in der Presse fand.

Die wissenschaftliche Mitarbeiterin teilte mit, dass damit die Trauer- und Begräbniskultur gemeint sei. Dazu gehören die Friedhöfe als Bestattungsorte, die Särge und die Grabmale mit den Inschriften sowie die Haarbilder. Das Anfertigen von filigranen Erinnerungsstücken aus Echthaar war im 19. Jahrhundert sehr verbreitet. Diese heute etwas befremdlich wirkenden Miniaturen entstanden nicht nur aus dem Haar Verstorbener, sondern auch anlässlich von Hochzeiten und Jubiläen. Das Haar wurde gewoben, geflochten, geklöppelt, geknüpft und auch verfilzt. Zunächst wurden die Strähnen gekocht und dann getrocknet, um ihre Form dauerhaft zu fixieren.

Haare ermöglichten es, einen Teil einer geliebten Person zu bewahren. Bevor sich die Fotografie verbreitete, waren Haare, zu einer Wanddekoration oder auch häufig zu Schmuck verarbeitet, eine sehr persönliche Form der Erinnerung. Während Bilder zu festlichen Anlässen oft als Auftragsarbeit entstanden, sind Haarkränze zum Andenken an einen Verstorbenen meist von den Hinterbliebenen selbst angefertigt worden.

Der Heimatverein der Insel Borkum bietet den Gästen, aber auch allen Einwohnern weiterhin die Möglichkeit, sich über die wechselvollen Geschichte
eines Eilandes zu informieren. Auch die Sonderausstellung „Vor 100 Jahren- Ausbruch des 1. Weltkrieges“ ist sehenswert und sollte unbedingt besucht werden. Das „Dykhus“ ist ab der ersten Novemberwoche bis zu den Weihnachtsferien samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet.